Hình ảnh trang
PDF
ePub
[ocr errors]
[ocr errors]

Mark Aurel wird nicht müde, den Kosmopolitismus zu predigen: „Meine Natur aber ist eine vernünftige und für das Gemeinwesen bestimmte; meine Stadt und mein Vaterland, insofern ich Antonin heifse, Rom, insofern ich ein Mensch bin, die Welt." (VI, 44.) Haben wir das Denkvermögen miteinander gemein, so ist uns auch die Vernunft gemein .... ist dies, So haben wir auch das Gesetz gemein; ist dies, so sind wir alle Bürger und nehmen an einem gemeinschaftlichen Staate teil: ist dies, so ist die Welt gleichsam ein Staat" (IV, 4). Es liegt ja nichts daran, ob einer hier oder dort, wenn er nur überall in der Welt wie in seiner Vaterstadt lebt" (X, 15). Zu jenem Weltstaate, meint er, verhalten sich die übrigen Staaten nur wie die einzelnen Häuser zur ganzen Ortschaft" (III, 11) 1. Dafs dieser Weltstaat der Stoiker mit dem politischen Gebilde, welches die Anarchisten einzuführen hoffen, mehr Ähnlichkeit hat, als mit irgend einem anderen Gemeinwesen, geht noch deutlicher aus folgenden Worten Zellers hervor: „Aber das eigentliche Ideal der Stoiker war keine der bestehenden Staatsformen, sondern jener Staat der Weisen... ein Staat ohne Ehe, ohne Familie, ohne Tempel, ohne Gerichtshöfe, ohne Gymnasien, ohne Münze, ein Staat, dem keine anderen Staaten gegenüberstehen, weil alle Grenzen der Völker in einer allgemeinen Verbrüderung aller Menschen sich aufheben" 2.

,,

[ocr errors]
[ocr errors]

Das Eintreten der Stoiker für Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit, Weltbürgertum, Herrschaft der Vernunft, vertrug sich wenig mit dem Interesse am Wirken in den bestehenden Staaten. Wer sich als Bürger der Welt fühle, für den sei jeder einzelne Staat ein viel zu kleiner Wirkungskreis“, meinen Seneka und Epiktet. Noch charakteristischer ist folgender Ausspruch Epiktets: Du fragst, ob der Weise sich mit dem Staate beschäftigen werde? Aber welcher Staat wäre gröfser, als der, mit dem er sich beschäftigt? Er, der sich nicht an die Bürger einer Stadt wendet, um über Staatseinkünfte und dergleichen, sondern an alle Menschen, um über Glückseligkeit und Unseligkeit, Freiheit und Knechtschaft zu ihnen zu sprechen" 4. Chrysipp, der wissenschaftliche Bildner des Systems Zenos, ist der Ansicht, dafs der Weise nur Anteil an dem Leben solcher Staaten nehmen dürfe, in welchen ein Fortschritt zur Vollkommenheit wahrzunehmen wäre. Endlich ist nicht zu vergessen, dafs die Gleichgültigkeit der Stoiker gegen die äufseren Zustände ihren reformatorischen

1 Mark Aurels Selbstgespräche, übersetzt von C. von Cless (Deutsche Volksbibliothek der griechischen und römischen Klassiker). 2 Zeller a. a. O., p. 294.

3 Zeller, p. 296.
4 Zeller a. a. O.

5 Zeller, p. 295.

Eifer dämpfen musste. Man sieht dies an ihrer Stellungnahme zur Sklaverei. Ein Dichter könnte sagen: ihre Ideen fanden handelnde Geister zuerst zur Zeit der französischen Revolution.

ver

Die Schule verstand es, ihre Lehre von dem vernünftigen Naturgesetze mit der Volkssage vom goldenen Zeitalter zu knüpfen, die sich bei allen älteren Völkern findet1./ Während jener glücklichen Urzeit des Menschengeschlechtes herrschte nach stoischer Lehre das Naturgesetz ausschliefslich;/ die Verderbnis, die später hereinbrach, hatte das positive Gesetz im Gefolge. „Immer aber mufs neben diesen menschlichen Gesetzen jenem göttlichen Rechtsgesetze eine absolute Gültigkeit und Herrschaft beigemessen werden, so dafs die ersteren nur insoweit, als sie mit dem letzteren übereinstimmen, bindende Kraft besitzen und ihre Gültigkeit überhaupt nur auf ihre Harmonie mit dem göttlichen Gesetze sich stützt. Insoweit daher das Naturrecht und das positive Recht sich widerstreiten, mufs letzteres aller verbindlichen Kraft ermangeln Demgemäfs lebt und handelt der oogós der Theorie nach unabhängig vom positiven Gesetze als wahrhaft Freier und lediglich nach seinen eigenen Grundsätzen“ 2.

...

Die griechische Philosophie findet bekanntlich gegen Ende der Republik allgemeinen Eingang in Rom. Mit Zusätzen aus anderen Systemen verbunden werden die stoischen Anschauungen von Recht und Staat von Cicero reproduziert; durch die römischen Juristen gewinnen sie Einfluis auf das römische Recht. Cicero und die römischen Juristen übermitteln sie zuerst der spätern Zeit.

Doch ehe wir diesen Vorgang ins Auge fassen, mufs der ganz verschiedenen Lehren der Epikureer gedacht werden. Der Epikureismus ist bekanntlich das umfassendste System des metaphysischen und ethischen Materialismus, welches das Altertum hervorgebracht hat. Durch die Wiedererweckung dieses Lehrgebäudes ist die moderne Welt in alle Tiefen der naturalistischen Weltanschauung geführt worden. Dasselbe System, welches das Universum aus dem Falle unbeseelter Atome entstehen liefs, erklärte die Gesellschaft aus dem Zusammentreten selbstsüchtiger, von dem Gebote keines inneren oder äufseren Gesetzes beherrschter Individuen; Moral und Recht leitete es aus den Nütz

Gütersloh +

1 Zöckler: Die Lehre vom Urstande des Menschen. 1879. In dem dritten für Nicht-Theologen besonders bemerkenswerten Kapitel „Die Traditionen des Heidentums" heifst es: „Ein goldenes Zeitalter mit darauf gefolgtem allmählichem Herabsinken zur Dürftigkeit und Kümmerlichkeit heutiger Zustände, eine Paradieseswonne mit langsam erbleichendem Glanze ist in der That Gemeinbesitz der Tradition aller älteren Völker." S. 103.

2 Voigt a. a. O., p. 142, 143.

lichkeitserwägungen der um Frieden und Leben besorgten Menschen ab. Für die Entwicklung der Staatswissenschaften aber war es bedeutungsvoller, dafs die Epikureer ein geregeltes Zusammenleben erst durch einen Staatsvertrag zustande kommen liefsen, welchen die Menschen aus Rücksicht auf ihren Nutzen, vom Selbsterhaltungstriebe angeregt, miteinander abschlossen. Vor dem Staatsvertrage gab es kein Recht, lehrten die Epikureer konsequent; denn es fehlten in ihrem System die metaphysischen Voraussetzungen: die Annahme einer Weltvernunft, die das Universum durchdringt, oder eines Schöpfers, welcher bestimmte Gebote erlassen hat; im Naturzustande brachte der Stärkere seine Macht rücksichtslos zur Geltung. Das Recht, das ist eine zweite Konsequenz ihrer Lehre, hat kein unabhängiges, selbständiges Dasein, es existiert nur soweit, als Verträge abgeschlossen worden sind. Für solche Wesen, die sich nicht durch Verträge binden können, giebt es weder Gerechtigkeit noch Ungerechtigkeit, ebenso wenig für solche Völker, die keine Verträge miteinander haben eingehen mögen. Das Naturrecht, sagt daher Epikur konsequent, ist ein Vertrag über das, was geschehen muls, damit wir andere nicht verletzen noch von ihnen verletzt werden 1.

In dieser Aussage über das Naturrecht dürfen wir wohl eine Auseinandersetzung mit den Stoikern sehen. Epikur mufs von seinem Standpunkte das Dasein eines vor und über allem positiven Rechte bestehenden Naturrechtes leugnen; aber er sieht ein, dafs die Menschen der vorgesellschaftlichen Zeit ein lebhaftes Bedürfnis empfinden mussten, in geordnete Zustände überzugehen. Der Gesellschaftsvertrag ist die Brücke zwischen Rohheit und Kultur und wird die Grundlage aller weiteren Fortschritte; denn auf ihm baut sich das Gerüst der positiven Gesetze auf, die natürlich nach den Bedürfnissen und Nützlichkeitserwägungen der verschiedenen Länder verschieden ausfallen müssen. Soll der Begriff Naturrecht in diesem System Aufnahme finden, so kann er nur die Bedeutung haben, dafs es überall der Naturtrieb der Selbsterhaltung ist, welcher zum Staatsvertrage führt... Er (Epikur) nimmt daher, freilich in einem anderen Sinne als die früheren, an, das Gerechte beruhe auf der Natur, und versteht unter dem Naturgerechten die Anforderung, dafs jener Sicherungsvertrag geschlossen werde" 2.

[ocr errors]

1 τὸ τῆς φύσεως δίκαιόν ἐστι σύμβολον τοῦ συμφέροντος εἰς τὸ μὴ βλάπτειν ἀλλήλους μηδὲ βλάπτεσθαι. Ritter und Preller, historia philosophiae graecae et romanae ex fontium locis contexta. 4. Á. p. 356. Ich übersetze an dieser Stelle wie Guyau (Morale d'Epicure) und ähnlich wie Hildenbrand „das Naturrecht", was mir dem Sinne nach und philologisch als das einzig Richtige erscheint, und bedauere mit so gewichtigen Autoritäten wie Zeller und Voigt nicht übereinstimmen zu können. Zeller übersetzt ,,Das Recht ist seiner eigentlichen Natur nach“ a. a. O. p. 455 und Voigt „Justum natura est utilitatis pactum" a. a. O. p. 131. 2 Hildenbrand, Geschichte und System der Rechts- und Staatsphilosophie 1860, I, p. 516.

X 2.

Es ist unumgänglich notwendig, einen Punkt der epikureischen Lehre mit aller Deutlichkeit hervortreten zu lassen, obgleich er in dem Vorhergehenden schon bezeichnet wurde. In dem epikureischen System existiert der Gegensatz von natürlichem Recht und positivem Recht nicht. Alles Recht ist positives Recht. Die Epikureer konnten daher auch nicht behaupten, es wäre möglich, den Wert des positiven Rechtes an dem Mafsstabe des Naturrechtes zu messen, oder das positive Recht hätte keine verbindliche Kraft, wenn es dem Naturrecht widerstreite. Dies ist, wie man sich erinnern wird, die stoische Lehre, die auf ganz anderen metaphysischen Grundlagen beruht. So zeigt sich auch hierin jener schöne Zug der antiken Philosophie, aus den für wahr gehaltenen Prämissen fadengerade die Konsequenzen zu ziehen. In ein bedenkliches Schwanken gerieten dagegen diejenigen modernen Naturrechtslehrer, welche epikureische und stoische Gedankenelemente verschmolzen; sie mufsten sich in innere Widersprüche über die Fortdauer des Naturrechtes im Staate verwickeln. Doch kehren wir zur epikureischen Lehre zurück.

Als eine weitere Konsequenz der Grundanschauungen wird der Gedanke einer inneren Verpflichtung, die Gesetze zu beobachten, abgewiesen. Recht und Gesetz ist somit nicht an und für sich, sondern um seines Nutzens willen verbindlich, die Ungerechtigkeit nicht an und für sich, sondern wegen ihrer Nachteile zu verwerfen" 1. Der Weise befolgt das Gesetz, weil er dessen Nützlichkeit einsieht, der Ungebildete aus Furcht vor den Strafen, welche für ungesetzliches Handeln angedroht sind. Jeder darf das Gesetz übertreten, welches seine Interessen verletzt; aber er muss befürchten, entdeckt und bestraft zu werden, was seine Gemütsruhe trübt die doch nach Epikur das höchste Gut ist. Dafs die Epikureer von dem vorstaatlichen Zustande der Menschen eine ganz andere Vorstellung hatten als die Stoiker, verwandt mit derjenigen, welche von den Sophisten vertreten und viele Jahrhunderte später von Gassendi, Hobbes, Spinoza erneuert wurde, ist schon angedeutet worden. Ohne Verträge und Gesetze, meint Metrodor, würden die Menschen einander auffressen. Dieser Teil ihrer Lehre findet eine breite Darstellung in dem Lehrgedichte des Lucretius Carus: De rerum natura.

-

Hier wird am entschiedensten die Volkssage und die Lehre der Stoa angefochten. Es gab nie, so vernehmen wir, ein goldenes Zeitalter, eine Kulturhöhe, von der die Menschheit allmählich herabgesunken ist, sondern im Anfang war die Not, die Armut, die Unwissenheit und die Rohheit. Die Geschichte des Menschengeschlechtes ist nach Lucretius die Geschichte einer allmählichen stufenweisen Entwickelung zur materiellen, sittlichen und intellectuellen Kultur. Stets mufs der Naturalismus im

1 ἡ ἀδικία οὐ καθ ̓ ἑαυτὴν κακόν, ἀλλ' ἐν τῷ κατὰ τὴν ὑποψίαν pós. Ritter und Preller a. a. O.

schneidendsten Gegensatz zu den Lehren der christlichen Religion die Idee des Fortschrittes vertreten 1.

2

Einzeln schweiften anfänglich die Menschen umher; sie begatteten sich wie die Tiere, wenn das Bedürfnis erwachte und sich Gelegenheit bot; noch fehlte ihnen die Sprache, welche erst mit dem geselligen Leben entsteht. Ein jeder lebte nur für sich, kümmerte sich nicht um das Wohl und Wehe der anderen; Sitte und Gesetz waren unbekannt. Erst als sie das Feuer kennen gelernt, Hütten gebaut und feste Geschlechtsverbindungen geknüpft hatten, entstand das Bedürfnis nach Frieden. Sie waren nun ansässig geworden, sie lebten familienweise zusammen und die zunächst Wohnenden schlossen förmliche Verträge miteinander ab, einander nicht zu verletzen, sowie die Frauen und Kinder gemeinsam zu verteidigen 3.

Es ist für unsere Zwecke belanglos, das Gedicht des Lucretius noch weiter zu verfolgen. Dagegen müssen wir zum Schlusse die Lehren der Epikureer über das Entstehen der Gesetze noch einen Augenblick ins Auge fassen. „Da nun derartige Verträge," heist es in Zellers Darstellung, „nur durch diejenigen ins Leben gerufen werden konnten, die es den andern an Einsicht zuvorthaten, diese aber dabei natürlich (wie jeder verständige Mensch) ihren eigenen Vorteil im Auge hatten, so kann auch gesagt werden, die Gesetze seien nur der Weisen willen gemacht, nicht damit diese kein Unrecht thun, sondern damit sie kein Unrecht leiden möchten" 4.

So ist also schon bei den Epikureern in aller Klarheit die Meinung ausgesprochen, die wir im 18. Jahrhundert so häufig vernehmen, dafs die Gesetze bewufst gemacht werden, und zwar von den Weisen zu ihrem eigenen Vorteil. Jener Ansicht ent

1 Siehe die Erörterungen Guyau's: „La morale d'Épicure". Paris 1878, liv. III, chap. III. Le progrès dans l'humanité.“

2 Guyau läfst die Menschen horden weise herumschweifen: Les hommes, ajoute-t-il (Lucrèce), erraient par troupeaux, comme les bêtes." Ich habe dies aus der Darstellung des Lucretius nicht entnehmen können.

3 Die epikureischen Lehren von der Entstehung von Staat und Kultur finden einen selbständigen Vertreter in Polybius. Karl Hildenbrand, Geschichte und System der Rechts- und Staatsphilosophie. Leipzig 1860, 1, p. 535. Selbst bei Aristoteles sind Anklänge an diese Auffassung vorhanden. Wohl lehrte er und mufste es im Geiste seines Systemes lehren, dafs der Staat früher da sei als das Individuum; aber auch er läfst, nicht thatsächlich, aber der Betrachtung wegen, den Staat aus einfachsten und kleinsten Teilen entstehen. Er kennt den Begriff des staat-! losen Naturzustandes. Der Mensch, welcher aufserhalb des Staates lebt, ist ihm ein Mann ohne Sippe, ohne Recht, ohne Herd", er lebt auf eigene Faust und vermag den Zustand nicht zu ertragen, wenn er nicht besser oder schlechter als ein Mensch ist. Geschaffen mit Anlagen zur Einsicht und Tugend, kann er dieselben nur im Staate entfalten; losgelöst von Recht und Gesetz ist er das allerschlimmste Geschöpf. Der Staat, erklärt der Stagirit ausdrücklich, entstand des Lebens willen.

4 Zeller a. a. O., III, 1, p. 456.

« TrướcTiếp tục »