Hình ảnh trang
PDF
ePub

und ihrem unbestimmten Wollen die Wege weist. Ganze Generationen denken sie in der Form, in welcher er sie gedacht hat, und führen seine Ideale aus. Wie nüchtern und mafsvoll erscheint der Individualismus noch bei Locke, welchen enthusiastischen, fanatischen, mafslosen Charakter wird der politische Liberalismus bei Rousseau, der wirtschaftliche bei den Physiokraten empfangen! Auf welche Bahnen werden diese Theoretiker ihr Volk führen! Und andererseits erkennt man die Kraft des nationalen Geistes und der geschichtlichen Entwicklung bei Rousseau und bei Quesnay in dem zentralistisch-atomistischen Charakter ihrer politischen Systeme 1).

Zweiter Abschnitt.

Lockes Schüler.

Unsere Aufgabe erheischt es nicht, alle Ausstrahlungen und selbst nicht einmal, alle bedeutenden Ausstrahlungen der Lockeschen Theorie zu verfolgen. Sonst dürften wir Christian Wolff, Rousseau und Kant nicht übergehen. Dagegen müssen wir die Werke dreier Männer betrachten, die man in der Geschichte des Naturrechtes vergeblich sucht, oder denen dort nur ein ganz bescheidenes Plätzchen angewiesen ist: Francis Hutcheson, François Quesnay und Adam Smith. Die verschiedenartige Begabung, die verschiedenartigen politischen und socialen Zustände, von denen sie umgeben sind, erklären die verschiedenartigen Leistungen; gemeinsam ist den Dreien nur der Boden der Lockeschen Ideen, in dem sie wurzeln.

1. Hutcheson.

Hutcheson, ein schottischer Professor von hohem Idealismus und zornmütigem Charakter, dazu ein Schüler Shaftesburys, lebt in den politischen und ökonomischen Anschauungen, welche in dem von Wilhelm III. begründeten, von Locke verteidigten Staatswesen unter Georg I. und Georg II. herrschen. Ihm sind die religiöse und individuelle Freiheit heilig; die politische Freiheit, welche er predigt, ist diejenige, welche sich in dem aristokratischen Staatswesen Englands zu seiner Zeit herausgebildet hat; in dem Sinne Rousseaus ist sie ihm völlig unbekannt. Von der wirtschaftlichen Freiheit in der Formulierung Adam Smiths hat er noch keine Ahnung; er vertritt die Maximen des nach innen gemäfsigten Merkantilismus, welchem sein Vaterland in jener Periode huldigte. Die theoretische Abhängigkeit von Locke

1 Vergleiche über den Gegensatz der centralistisch-atomistischen Auffassung bei Turgot, Rousseau u. A. und der individualistisch-collektivistischen bei Böhmer, Wolff u. A. Gierke, Althusius, p. 256 ff.

zeigt sich fast auf allen Seiten, insbesondere in der Begründung des Privateigentums, in der Lehre von den Menschenrechten, die hier schon ziemlich ausführlich behandelt sind, und in der Schilderung des Naturzustandes, den er wesentlich friedlich malt. In Hutchesons Werk ist der liebenswürdige Glanz über den Menschen ausgebreitet, welcher aus Shafterburys Werken hervorstrahlt. In dem Naturzustande, den Hutcheson darstellt, finden wir die durch Arbeitsteilung verbundene, in Familien geschiedene natürliche Gesellschaft. Es ist bemerkenswert, dafs dem Lehrer Adam Smiths die Vorteile der Arbeitsteilung so bedeutend erscheinen, dafs er ihr einen grofsen Einfluss auf die Bildung der natürlichen Gesellschaft zuschreibt. Der Übergang aus dem Naturzustand in die bürgerliche Gesellschaft ist demgemäfs ein bedeutungsloserer Vorgang als bei den älteren Naturrechtslehrern, welche ihn als den Fortschritt von völliger Unsicherheit zur Sicherheit, von völliger Unkultur zur Kultur betrachteten. So erscheint denn charakteristischerweise bei Hutcheson als Staatszweck neben dem Schutz des Eigentums und der Freiheit „the promoting the general happiness by the concurring force of multitudes". Dabei sieht man, dafs er das Wirken des Staatslenkers für das allgemeine Wohl so weit fafst, dafs er in dessen kraftvollem Eingreifen gegen Dummheit und Eigensinn kein Verbrechen an der individuellen Freiheit findet1. Man wird durch diese Lehren in lebhafter Weise an Hutchesons Kollegen und Zeitgenossen, an unseren gelehrten, gründlichen Christian Wolff, den Schüler Leibnitzens und Zeitgenossen Friedrich Wilhelms I., den typischen Vertreter des polizeilich-kameralistischen Zeitalters, erinnert worden sein, in dessen Schriften ja ebenfalls der Staatszweck der öffentlichen Wohlfahrt, der allgemeinen Glückseligkeit, so sehr denjenigen der Sicherheit und des Schutzes von Freiheit und Eigentum verdrängt. Danach ist zu vermuten, dafs die Sorge für die materielle Wohlfahrt der Bürger eine ernste Aufgabe der Staatsgewalt geworden ist.

2. Quesnay und seine Schüler.

Der zweite, dem unsere Betrachtung gilt, heifst François Quesnay. Er ist Arzt, durch Beruf und Neigung der Beobachtung der Aufsenwelt, der Natur und des menschlichen Körpers zugewandt. Er ist weiter ein Zeitgenosse Ludwigs XV. Seine

1 It is well known how hard it is to make the vulgar quit their own customs for such as are far better in agriculture or mechanick arts etc. As there are in our species men of superior genius and penetration, and of more extensive views, nature points them out as fit to direct the actions of the multitude for the general good u. s. w. B. III, Kap. 4, II, 1.

2 Über Wolffs Wohlfahrtsstaat siehe z. B. Grundsätze des Naturund Völkerrechts. Halle 1754, §§ 43, 44.

Überzeugungen, seine Stellung als Leibarzt dieses Fürsten und sein milder, furchtsamer Charakter weisen ihm die Rolle eines Reformators zu. In seinen politischen Ansichten nähert er sich mehr Bossuet als Fénelon und Montesquieu, von dem ihn sein Rationalismus trennt; in seinen wirtschaftlichen und sozialen berührt er sich mit Boisguillebert, Vauban und d'Argenson. Er lebt in einer Zeit, wo die französischen ländlichen und städtischen Mittelklassen wirtschaftlich mündig werden und, abgesehen von den privilegierten und an der Aufrechterhaltung der Mifsbräuche interessierten Schichten dieser Klassen, die Überreste der feudalen Ordnung, noch mehr aber die Gewerbepolitik und den Fiskalismus des absoluten Königtnms beseitigt zu sehen wünschen.

Gournay ist der Vertreter der städtischen Mittelklassen, Quesnay der Dolmetsch der Bedürfnisse der ländlichen Mittelklassen, des Standes der Pächter. So sehr Quesnay auch mit seinem System die Erzielung des gröfstmöglichen, wirtschaftlichen Reinertrags und damit den Nutzen der Grundbesitzerklasse zu bezwecken scheint, so zeigen doch die Schriften Quesnays und seiner Schüler auf das deutlichste, dafs ihnen die Lage des bäuerlichen Unternehmerstandes besonders nahe geht. Die Verbesserung seiner wirtschaftlichen Lage ist nach der Lehre der Physiokrateu_die_unumgänglich notwendige Vorbedingung einer Steigerung des Reinertrags, welche eine Konsequenz des Systems ist. Wenn man nun weiter erwägt, dafs er den Grundbesitzern alle Steuern aufbürden will, so erscheint die Annahme wohl gerechtfertigt, dafs die ökonomische Hebung der bäuerlichen Klassen sein wichtigstes Ziel war und dafs man ein besonders helles Licht auf das „produit net" fallen liefs, um die mächtigste Klasse als Hebel für eine Veränderung der Wirtsschaftspolitik zu_benutzen. Sie würde auch die entsetzliche Finanzpraxis der Zeit, wenn sie gegen sie gerichtet wäre, zu beseitigen verstehen. Wahrscheinlich wurde Adam Smith noch stärker von derartigen Erwägungen geleitet, da diese Klasse in England einen weit grölseren Einfluss auf die Gesetzgebung besafs.

Die Sympathie für die ländliche Unternehmerklasse hinderte aber Quesnay nicht, den Drang aller nicht privilegierten Unternehmerklassen nach wirtschaftlicher Freiheit zum Ausdruck zu bringen, wenn er auch die Wirkungen, welche die wirtschaftliche Freiheit auf die wirthschaftliche Lage der unfruchtbaren Klasse haben würde, übersah und sie der bäuerlichen Klasse und dem Grundbesitzerstande dienstbar zu machen hoffte. So nimmt der von Locke aufgenommene Ruf der englischen besitzenden Klassen: liberty und property! einen neuen und zwar einen wirtschaftlichen Charakter an. Wie Locke fordert Quesnay Schutz der natürlichen Rechte, Freiheit der, Person und Sicherheit das Eigentums; aber er verlangte sie als notwendige Voraussetzungen des wirtschaftlichen Gedeihens. Keine Volkswirtschaft kann

blühen, wo das Individuum nicht die Gewissheit hat, dafs es die Früchte seiner Arbeit geniefsen werde, wo sein Eigentum (Kapital) nicht sicher ist vor ungerechter, noch mehr vor wirtschaftlich unzweckmässiger Besteuerung, wo der einzelne nicht frei ist in der möglichst wirtschaftlichen Verwendung seines Eigentums und seiner Arbeitskraft. Es sind fast ausschliesslich volkswirtschafts politische Grundsätze, welche Quesnay for

muliert.

Um einem möglichen Irrtum vorzubeugen, sei ausdrücklich hervorgehoben, dafs auch das vorphysiokratische Naturrecht selbstverständlich Grundsätze der Volkswirtschaftspolitik und der Finanzpolitik enthielt, da diese Disciplin ja für alle staatlichen Gebiete auszusprechen hatte, was natürlichen Rechtes wäre und demgemäfs von der Staatsgewalt ausgeführt werden müsse. Aber das Naturrecht vor den Physiokraten enthielt wohl, wie die fortschreitenden Bedürfnisse der Zeit es erheischten, die Forderung der religiösen, politischen, individuellen, nicht aber die der wirtschaftlichen Freiheit; nur Grotius war für die Handelsfreiheit eingetreten. Auch beschränkt sich das vorphysiokratische Naturrecht nicht ausschliefslich auf wirtschaftliche Fragen, während das Droit Naturel" Quesnays zu einem wirtschaftlichen Naturrechte zusammengeschrumpft ist1. Gerade darin besteht die Eigentümlichkeit und die Bedeutung Quesnays, dass er, angeregt durch das, was seinem Volke notthat, die Lockeschen Lehren von dem ewigen Rechte auf Eigentum und Freiheit fortentwickelt zur Lehre von dem Naturrechte des Menschen auf wirtschaftliche Freiheit, wie er sie versteht.

,,

Sie bedeutet für ihn nicht die schrankenlose Ungebundenheit der Individuen und das unthätige Zusehen der Regierung. Dadurch unterscheidet er sich aufs schärfste von Locke. Er hat bekanntlich an der Unteilbarkeit der höchsten Gewalt festgehalten, und sein Staat ist ein Verwaltungsstaat, dem er sehr wichtige Aufgaben zuweist. Auch polemisiert er sehr stark gegen den mauvais usage de la liberté. Seine Meinung ist folgende.

giebt eine natürliche, unveränderliche, vollkommene Weltordnung, welche der Schöpfer gewollt hat und die vom Menschen, dessen Wohl der Schöpfer ebenfalls will, in ihren Beziehungen zu seinem eigenen (wirtschaftlichen) Vorteil oder Nachteil erkannt werden kann. Der Mensch hat aus der schlechthin vollkommenen Weltordnung zu erkennen, was ihm wirtschaftlich den grössten Vorteil gewährt, und was ihm Schaden bringt, das erstere für sich zu nützen, das letztere zu vermeiden. So bringt Quesnay die dem Menschen vorteilhafteste wirtschaftliche Ordnung in den innigsten Zusammenhang mit der allgemeinen Weltordnung. Jene durchzuführen und sich ihr unterzuordnen ist die Aufgabe der

1 Quesnay definiert das Naturrecht: Le droit naturel de l'homme peut être défini vaguement le droit que l'homme a aux choses propres à sa jouissance. Daire, Physiocrates I, p. 41.

Einzelnen wie des Staates. An den Staat ergeht daher die Aufforderung, die positiven Gesetze aufzuheben, welche der natürlichen Ordnung widerstreben, und die Naturgesetze (der Wirtschaft) zu verkünden, mit andern Worten, sie zu seinen positiven Gesetzen zu machen. Freiheit bedeutet daher zunächst für Quesnay die Befreiung von den schlechten positiven Gesetzen, dann die Einführung der natürlichen Ordnung.

Aber welches ist der Inhalt dieser natürlichen Ordnung? Man wird es in der folgenden Darstellung sehen, in welcher auch die Beziehungen des physiokratischen Naturrechtes zum Lockeschen noch deutlicher hervorgehoben werden sollen. Wir folgen dabei im wesentlichen den Ausführungen Mercier de la Rivière1 und Dupont de Nemours'.

Jener Schriftsteller beginnt seine Darstellung mit dem Nachweise, dafs eine natürliche Gesellschaft vor der bürgerlichen bestanden habe. Aber das natürliche Recht leitet er wie Locke aus den Trieben des Individuums her. Bei ihm fällt dies auf, da unter seiner Feder die natürliche Gesellschaft einen organischen Charakter gewinnt, und zwar in Folge seiner psychologischen Analyse der menschlichen Natur, die nicht an Locke

erinnert.

Wäre die Gesellschaft nicht im Plane Gottes, dann wären die Triebe, Neigungen und Bedürfnisse, mit welchen der Schöpfer den Menschen ausgestattet hat, unverständlich. Nun zeigt die Betrachtung der Kräfte des Menschen, dafs er für die Gesellschaft bestimmt ist; denn er ist des Mitleides, der Freundschaft, der Nacheiferung fähig. In der Jugend und im Alter bedarf er der Gesellschaft zu seiner Selbsterhaltung. Seine Intelligenz, die sich erst in der Gesellschaft entwickelt, ermöglicht eine kulturfördernde geistige Verbindung mit früheren Generationen. Der Mensch hat weiter einen starken Drang, sich zu vermehren; die Vermehrung ist aber ohne materielle Kultur unmöglich, die materielle Kultur ist nur in der Gesellschaft denkbar. So ist also die Errichtung der Gesellschaft ein Teil der Weltordnung 2.

Nun gelangen wir zu jenem salto mortale, von dem ich eben sprach; das Individuum wird das Princip seiner Deductionen3. Pufendorf machte den umgekehrten, wie man sich erinnern wird. Der von der Natur mit dem Selbsterhaltungstriebe ausgestattete

1 L'ordre naturel et essentiel des Sociétés Politiques. London 1767. 2 Bändchen.

2 Ainsi l'établissement de la société comme moyen nécessaire à l'abondance des productions est d'une nécessité physique à la multiplication des hommes et fait partie de l'ordre de la création. I, p. 15.

3 Mercier fühlt das Unlogische seines Verfahrens und sagt deshalb: Quoi qu'il soit vrai de dire que chaque homme naisse en société, cependant dans l'ordre des idées, le besoin que les hommes ont de la société, doit se placer avant l'existence de la société. I, p. 17.

« TrướcTiếp tục »