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stischen Grundlage des stoischen Naturrechts zu bekennen. Aber das Naturrecht verliert andererseits den Charakter einer unbedingten Hoheit, und so mufs es nachträglich doch wieder in Verbindung mit Gott gesetzt werden. Gott ist dann aber auch das höchste Princip des Naturrechts, nicht die Socialität.

Sehen wir schliefslich, welches Verhältnis Grotius zwischen Naturrecht und bürgerlichem Recht annimmt. Er sagt: „,,Das sagt:,,Das bürgerliche Recht kann gar nichts gebieten, was das Naturrecht verbietet, oder verbieten, was dieses gebietet; aber es kann die natürliche Freiheit beschränken und das naturrechtlich Erlaubte verbieten und selbst den natürlichen Erwerbsarten des Eigentums durch seine Kraft entgegentreten 1.

2.

Gassendi.

1624 erst

Ein Jahr vor dem Werke des Grotius war die erste Schrift Gassendis über Epikur vollendet worden, der in den vierziger Jahren des 17. Jahrhunderts noch zwei andere folgten. Hierdurch feierte der Epikureismus seine volle Wiederauferstehung. Nicht als ob er vorher nicht bekannt gewesen wäre, es wurde schon verschiedenemale erwähnt, wie er im stillen stets fortlebte und hier und da an die Öffentlichkeit trat. Durch Gassendi werden nun auch die epikureischen Lehren von Recht und Staat wieder allgemeiner bekannt.

Bei Grotius sind einige Bestandteile des Epikureismus in der früher angedeuteten Weise in sein System verwoben. Auch er nimmt einen Zustand des Unfriedens unter dem Menschengeschlechte an; aber im Anfang herrschte Friede und Eintracht, und alles war gemeinsam. Den Übergang aus diesem in jenen hat die biblische und klassische Gelehrsamkeit des Verfassers in eine eigentümliche Beleuchtung gerückt. Wir sehen auch bei Grotius den Staatsvertrag mehr beiläufig angedeutet. Den Staat definiert er folgendermalsen:,,Der Staat ist eine vollkommene Verbindung freier Menschen, welche sich des Rechtsschutzes und des Nutzens wegen zusammengethan haben". Diese Lehre konnte ihm durch die mittelalterlichen Schriftsteller und ihre Fortsetzer, die katholischen Autoren über das Naturrecht überkommen sein. Dagegen reproduziert Gassendi einfach die epikureische Lehre, und bei ihm erscheint sie mit allen ihren sociologischen und ethischen Voraussetzungen, welche den grotianischen schnurstracks widersprechen.

Im Anfang irrten die Menschen gleich Tieren umher; dann wurden sie durch ,,quelque naturelle inclination" veranlasst, zu

1 II, 2, V.

2 II, 2, II, 2 ff.
3 I, 1, XIV, 1.

Horden zusammenzutreten. Aber da nun immer „querelles sur le boire et sur le manger et sur les femmes et sur les autres commoditez qu'ils se prenaient et se dérobaient l'un à l'autre" entstanden, beschlossen sie einen Vertrag folgenden Inhaltes einzugehen. Es sollte in Zukunft niemand den andern verletzen; wer sich aber einer Schädigung schuldig mache, den sollten die andern be-strafen. Dazu war eine Gewalt nötig, und diese übertrug man auf einige,,Sages" oder auf einen. Nun wurde es möglich, Eigentum zu haben, der Mord ward zu einem Verbrechen gestempelt, Gerechte und Ungerechte wurden unterschieden, je nachdem sie den Kontrakt beobachteten oder nicht. Die einen handelten aus Einsicht, die andern aus Furcht.

Hier sind alle Züge der epikureischen Lehre. Das Recht hat seine Wurzel nicht in der sittlichen Natur des Menschen, die ihm vorschreibt: Das sollst du thun, das nicht, sondern in dem Selbsterhaltungstriebe, in den Bedürfnissen des Einzelnen; das Recht ist eine Art des Nützlichen. ,,Epicure," sagt Gassendi, „a tiré toute l'origine du Droit. . . . de l'Utilité." Es entsteht mit der menschlichen Gesellschaft, aufserhalb derselben giebt es kein Recht. Zwischen Völkern, die keinen Vertrag miteinander abschliefsen konnten oder wollten, existiert ebenfalls kein Recht.. Ein Völkerrecht ist ein Unding1. Unser Schriftsteller sucht mit dem Aufwande grofser Gelehrsamkeit seine Ansicht zu vertreten und polemisiert gegen die Lehre vom goldenen Zeitalter. Die Sagen von Orpheus und Amphion zeigten doch auch, dafs die Völker ursprünglich ein umherschweifendes Leben geführt hätten und Sitte und Recht erst mit der Gründung des Staates entstanden wären. Auch Aristoteles habe gelehrt:,,La société civile semble avoir commencé et subsiste encore présentement par l'utilité." Er weist darauf hin, dafs wir in der Heiligen Schrift stets von Verträgen lesen 2. Gassendi zeigt auch dieselbe Vor

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1 Bernier, Abrégé de la Philosophie de Gassendi. 2. A. Lyon 1684. Tome VII, p. 512 u. ffg. Le droit et le Juste . . . semblent être quelque chose d'aussi ancien entre les hommes que leurs mutuelles Societez sont anciennes. Car le Juste ou le Droit, dont l'observation se nomme Justice, n'est que dans une Societé mutuelle, d'où vient que la Justice est un lien de societé entant que chacun des Associez peut vivre en seureté et exempt de l'inquiétude continuelle qu'on ne l'attaque Über die Entstehung des Eigentums heifst es, jener Vertrag sei „le premier noeud de la societé" gewesen il supposa qu'un particulier pouvoit avoir quelque chose en propre ou qu'il peust dire estre sien (soit pour l'avoir usurpé le premier, soit pour lui avoir esté donné, soit pour l'avoir eu en échange, soit pour l'avoir acquis par sa propre industrie). Hier erscheint die Arbeitstheorie Lockes und der Physiokraten nur beiläufig und im Keim.

...

2 Il n'y a rien de plus ordinaire parmy les Sacrez Docteurs que d'entendre dire que l'une et l'autre Loy, tant l'Ancienne que la Nouvelle, est une Alliance, un Pacte; et il n'est rien de plus frequent dans les Saintes Ecritures que de lire que Dieu fait des Pactes, comme avec Noé, avec Abraham, avec Jacob etc. a. a. O. p. 525.

liebe für eine starke monarchische Gewalt, die charakteristisch für die epikureische Doktrin ist1.

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Lev

1651

Aber nicht durch Gassendi selbst, sondern durch Hobbes, den Zeitgenossen der Männer, welche England in einen fürchterlichen Bürgerkrieg stürzten, den langjährigen Freund und Mitstreiter Gassendi's für die Wiederbelebung des Materialismus, sollte der Epikureismus ein Ferment in den politischen Wissenschaften werden. Seine grofsen Werke,,Über den Bürger" und der Leviathan" ruhen unzweifelhaft auf der Grundlage der epikureischen Lehren; aber sie sind zugleich vom Geiste des christlichen Naturrechts erfüllt. Und doch ist das Ganze eine neue, eigentümliche Schöpfung von eiserner Konsequenz der Gedanken, der es hier und da nicht an grimmigem Humor gebricht, zugleich ein Zeugnis für das tiefe Bedürfnis Englands nach Frieden und einer starken Staatsgewalt.

Das freundliche Licht, welches der milde Propst von Digne noch über die menschliche Natur ausgegossen hatte, wird durch den mifstrauischen Ernst des einsiedlerischen Engländers verdunkelt. Nach Gassendi vereinigen sich die Menschen durch natürliche Zuneigung zu Horden; die Individuen aber, die in Hobbes' Werken den Staatsvertrag abschliefsen, lieben einander nicht; sie fürchten sich gegenseitig und suchen die Gemeinschaft nur deshalb, weil ein jeder Ehre und Vorteil darin zu finden hofft. So bereitet er sich psychologisch den Boden für den genialsten Zug seiner Theorie: Die Verlegung des Unterwerfungsvertrages in den Vereinigungsvertrag 2.

Neu und eigentümlich ist seine Formulierung und Weiterbildung des epikureischen Naturrechtes, das in seinen Grundlehren bestehen bleibt. Von einem Naturrecht im stoischen Sinne kann keine Rede sein, da die metaphysische Voraussetzung der allwaltenden Vernunft fehlt. Hobbes nennt Naturrecht das schrankenlose Recht der freien und gleichen Menschen auf alles im Naturzustande, was den Begriff des Unrechtes ausschliefst. Indem aber nun die von Selbstsucht und Furcht bewegten Menschenatome feindlich gegeneinander drängen und stofsen, entwickelt sich die Erkenntnis des Elends der allgemeinen Unsicherheit und Entwicklungsunfähigkeit. Und nun lehrt die Vernunft, dafs der Friede anzustreben sei, als Mittel zur Erhaltung des menschlichen Geschlechtes und des Einzelnen. Dieses Vernunftgebot nennt er das Naturgesetz. Die Verwandtschaft

1 a. a. O. p. 367.

2 Vgl. Gierke, Althusius p. 86.

und die Verschiedenheit dieses Begriffes von dem des tò tys proεws Sízalov Epikurs wird unmittelbar einleuchten.

Aus diesem Grundgesetz der Natur leitet nun Hobbes eine Reihe besonderer natürlicher Gesetze ab. Das erste dieser letzteren besagt, dafs das Recht aller auf alles nicht beizubehalten ist, sondern dafs einzelne Rechte zu übertragen oder aufzugeben sind, weil der Friede auf keine andere Weise gesichert werden kann. Wenn zwei oder mehrere sich ihre Rechte gegenseitig übertragen, so heilst dies ein Vertrag. Die Vernunft schliefst daher (zweites Gesetz), dafs Verträge gehalten werden müssen, weil dies allein die Erhaltung des Friedens und damit die Erhaltung der einzelnen und der Gattung verbürgt. Die Vernunft lehrt wei er die Notwendigkeit der Dankbarkeit als der Voraussetzung gegenseitiger Hilfe, der Verzeihung, wenn Bürgschaft für die Zukunft geleistet ist, der Billigkeit, der Bescheidenheit u. s. w. Diese natürlichen Folgerungen der Vernunft heifsen nur uneigentlich natürliche Gesetze. Da sie aber mit den Vorschriften des göttlichen Gesetzes übereinstimmen, was er im vierten Kapitel seiner Schrift „Über den Bürger" nachweist, so darf man den Folgerungen der Vernunft die Bezeichnung,,natürliche Gesetze“ beilegen1. Ausserdem ist die natürliche Vernunft ein von Gott verliehenes Erkenntnismittel und darum das natürliche Gesetz dasjenige,,,welches Gott durch sein ewiges uns eingeborenes Wort, d. h. durch die natürliche Vernunft kund gethan hat" 2. Die Befolgung dieser Gesetze im Naturzustande seitens einzelner wäre Thorheit, solange nicht alle sie befolgen3.

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Was ich die natürlichen Gesetze nenne, sind nur gewisse Folgerungen, welche die Vernunft erkennt, und die sich auf Handlungen und Unterlassungen beziehen. Dagegen ist das Gesetz nach dem strengen Sprachgebrauche der Ausspruch dessen, der andern etwas zu thun oder zu unterlassen mit Recht befiehlt. Daher sind jene natürlichen Gesetze eigentlich keine Gesetze; denn sie gehen aus der Natur selbst hervor; soweit sie indes von Gott in der Heiligen Schrift gegeben worden sind heifsen sie recht eigentlich auch Gesetze; denn die Heilige Schrift ist ein Ausspruch des mit dem höchsten Rechte über alles gebietenden Gottes." De cive, Übersetzung von Kirchmann, Kap. III, § 33, p. 69. Die vorliegende Darstellung fufst fast allein auf diesem Werke des Hobbes, der Leviathan ist nicht in Betracht gezogen. Siehe die Berechtigung dazu bei Kirchmann p. 282.

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a. a. O. p. 174. Vgl. p. 190 Kap. XV, § 3: Gott kann seine Gesetze verkündigen erstens durch die stillschweigenden Gebote der rechten Vernunft u. s. W.

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3 „Die meisten Menschen sind infolge des falschen Begehrens nach dem gegenwärtigen Vorteil wenig geeignet, die vorgenannten Gesetze, obgleich sie sie anerkennen, zu befolgen. Wenn daher einzelne, die gemäfsigter als die übrigen sind, diese von der Vernunft gebotene Billigkeit und Rücksicht üben wollten, ohne dafs die andern dasselbe thäten, so würden sie damit keineswegs der Vernunft folgen; denn sie würden sich nicht den Frieden, sondern nur einen sichreren und frühzeitigeren Untergang bereiten und durch Beobachtung der Gesetze eine Beute jener werden, welche sie nicht befolgen," a. a. Õ. p. 65. III, § 27.

Allein es genügt auch noch nicht, wenn die Mehrzahl hierzu einwilligt; denn die Eintracht der Verbündeten kann durch Verschiedenheit der Ansichten, durch Neid und Nebenbuhlerschaft getrübt werden. Solange nicht eine Furcht alle zwingt, werden sie einander weder immer helfen, noch Frieden untereinander halten wollen. Die Sittlichkeit des Individuums ist nur möglich im Staate

Der Staat kommt dadurch zustande, dafs ,,die einzelnen ihren Willen dem Willen eines einzelnen, d. h. eines Menschen oder einer Versammlung, so unterordnen, dafs dieser Wille für den Willen aller einzelnen gilt, soweit er etwas über das zum gemeinsamen Frieden Nötige bestimmt, und zwar vermittelst eines Vertrages, durch welchen sich jeder gegen jeden verpflichtet, dem Willen dieses einen, dem er sich unterworfen hat, keinen Widerstand zu leisten". Dieser erlangt dadurch ,,eine so grofse Macht, dafs er durch den Schrecken derselben den Willen der einzelnen zur Einheit und Einigkeit zusammenhalten kann" 1.

In der so gebildeten bürgerlichen Gesellschaft, die also erst Eigentum, Sicherheit des Lebens, kurz materielle und sittliche Kultur ermöglicht, ist der Inhaber der Staatsgewalt die Quelle alles Rechtes und aller Sittlichkeit, ohne doch selbst an die Gesetze des Staates gebunden zu sein. „Da es für den Frieden noch wichtiger ist, den Streitigkeiten zuvorzukommen, als die entstandenen zu schlichten, alle Streitigkeiten unter den Menschen aber aus ihren verschiedenen Meinungen über das Mein und Dein, das Rechte und Unrechte, das Sittliche und Unsittliche und ähnliches entstehen, wobei jedermann seinem eigenen Urteil folgt, so gehört es zur höchsten Staatsgewalt, für alle Bürger gemeinsame Regeln oder Mafse aufzustellen und öffentlich bekannt zu machen, aus denen Jeder abnehmen kann, was sein und was des andern, was recht und was unrecht, was sittlich und was unsittlich, was gut und was schlecht ist". Im Naturzustande, solange die einzelnen sich noch nicht der Herrschaft eines andern unterworfen hatten, stand jedem ein Urteil über das Gute und Schlechte zu; im bürgerlichen Zustande ist gut und schlecht, was der Gesetzgeber gebietet. Die Verpflichtung zur Beobachtung des Staatssittengesetzes beruht auf dem Naturgesetze, dafs Verträge gehalten werden müssen1. So erhebt sich die Frage, in welchem Verhältnisse die drei Arten von Gesetzen zu einander stehen. Wenn wir Hobbes richtig ver

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a. a. O. p. 84. Kap. V, § 7, 8.

a. a. O. p. 91, Kap. VI, § 9.

a. a. O. p. 147, Kap. XII, § 1.

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Da somit die Verbindlichkeit zur Beobachtung jener Gesetze älter ist als ihre Verkündigung, weil sie in der Errichtung des Staats vermöge des natürlichen Gesetzes mit enthalten sind, welcher die Verletzung der Verträge verbietet, so gebietet auch das natürliche Gesetz, dafs alle Gesetze des Staates beobachtet werden sollen," p. 177, Kap. XIV, § 10.

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