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Standpunkte konsequent war; den Philosophen, welche das stoische Naturrecht zur Basis machten, war es leicht, dem Individualismus zum vollen Siege zu verhelfen; aber auch hier geschah es nicht sofort, entweder weil sie die stoischen Grundanschauungen veränderten oder weil sie durch zwei epikureische Gedankenelemente, die Lehre vom Naturzustande und vom Staatsvertrag, in der freien Bewegung gehindert wurden. Erst Locke verstand es, diese Schwierigkeiten zu beseitigen. Es hiefse die treibenden Kräfte der Entwicklung mifskennen, wenn man diesen Fortgang allein für einen theoretischen Vorgang halten wollte; eine wahrscheinlich viel einflussreichere Rolle haben die Bedürfnisse bestimmter Völker, mächtiger Klassen und Individuen gespielt. In das Naturrecht flüchtete sich aller religiöse, politische und wirtschaftliche Jammer der neuern Zeit. Mit den Bedürfnissen änderten sich die Lehren, und das Bedürfnis individueller Freiheit hat den Sieg des stoischen Naturrechtes entschieden. Dals

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diese Meinung das Verhältnis von Leben und Lehre richtig aufh.

fafst, beweist am besten die Thatsache, dafs auch im stoischen Naturrechte nicht sofort und von Anfang an ein umfassendes System der subjektiven Freiheitsrechte gegeben wird, sondern dafs diese nach und nach auftreten, wie es die Bedürfnisse einzelner Völker und Klassen bedingen, und das so das subjektive Naturrecht allmählich anschwillt. Vom religiösen Individualismus gelangen wir zum politischen und sozialen und von diesem zum wirtschaftlichen

Diese Erkenntnis läfst Reformation und Liberalismus vorurteilsfrei betrachten. Beide sind Produkte der Bedürfnisse mächtiger Klassen der Zeit. Weder die eine noch der andere sind an sich die Prinzipien alles Übels in der modernen Geschichte, und die erstere ist nicht die Mutter des zweiten. Der Liberalismus wurde erst dadurch schädlich, dafs er sich in ein naturrechtliches Gewand hüllte und nun erstens die doktrinäre, unhistorische Grundlage des stoischen Naturrechtes in die Köpfe und Gefühle grofser Massen überging und zweitens zeitlich berechtigte und beschränkte Bedürfnisse mächtiger Klassen den Stempel gottgewollter, für alle Zeiten und Völker geltender Forderungen erhielten. Nun hinderte er neue, zeitlich berechtigte und beschränkte Bedürfnisse anderer Klassen daran, befriedigt zu werden; er sperrte dem politischen, wirtschaftlichen, sozialen Fortschritt den Weg; der philosophische Individualismus, ein Produkt der Auflösung des Altertums, wurde, auf die modernen Völker übertragen, für sie ein Ansteckungsstoff, welcher wiederum Auflösung erzeugte; der Liberalismus erhielt jenen unduldsamen, fanatischen Charakter, welcher religiösen Bewegungen eigen ist; seine Anhänger fragten nicht mehr, ob die Freiheit zweckmäfsig sei, sondern sie handelten nach dem Grundsatze: die liberalen

Ideen müssen durchgeführt werden, welche Folgen sich auch einstellen mögen.

3.

Die Politik.

Als dritter Faktor wurde die Politik genannt. Sie hat die junge Wissenschaft nach mehreren Richtungen beeinflusst.

Wie die Politiker die Praxis ihrer Staaten umzugestalten suchten, gaben sie den Naturrechtslehrern den Anstofs, Ideale aufzustellen, Prinzipien zu formulieren. Einige Naturrechtslehrer, z. B. Oldendorp, sprechen diese praktische Tendenz ihrer Werke ganz offen aus. Allerdings brauchten die Bedürfnisse des politischen, sozialen und wirtschaftlichen Lebens nicht immer durch die Politik vermittelt zu sein, sie konnten den Naturrechtslehrern auch unmittelbar Antrieb zu wissenschaftlicher Arbeit werden1. Dann sind die organische Auffassung des Staates, die durchaus verschiedenartige Analyse der menschlichen Natur, welche der Anschlufs der Politiker an Aristoteles mit sich brachte, weiter die spätrömische Lehre von dem Verhältnis des Staatsoberhauptes zu den Staatsgesetzen treibende Momente in der Entwickelung des Naturrechtes gewesen. Gleichfalls haben die Vertreter der Doktrin von der Staatsraison klärend auf das Naturrecht eingewirkt. So wurden Thomasius und Andere auch durch den Kampf mit den „,Statistae" angeregt, die Gebiete des Naturrechts und der Politik zu sondern.

III.

Die Begründung des Naturrechts als selbständige
Wissenschaft.

Nachdem wir auf den vorhergehenden Seiten die theoretischen Faktoren der neuen Wissenschaft kennen gelernt haben, wollen wir die grofsen Systeme des modernen Naturrechts charakterisieren. Es wird sich zeigen, dafs ihr Aufbau durch die psychologische Analyse und die Schilderung des Naturzustandes des Menschen, welche der Naturrechtslehrer beliebt, wesentlich bestimmt wird. Diese beiden Elemente weichen, wie wir wissen, im epikureischen und stoischen System sehr von einander ab. Seine Fundamente wählt der Philosoph nicht willkürlich. Die politischen und sozialen Verhältnisse seiner Umgebung, die philosophischen Ideen und die Bildung seiner Zeit, sein Geist und sein Charakter und nicht zum mindesten das politische Ziel, für dessen Verwirklichung er wissenschaftlich eintritt, drängen ihn in eine bestimmte Auffassung hinein.

1 Kaltenborn, a. a. O. p. 109. 111.

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Wir übergehen die Vorgänger des Hugo Grotius auf dem Gebiete des Naturrechtes und Völkerrechtes, da es uns nur auf die Hervorhebung des Wichtigsten ankommt. Das berühmte Werk Über das Recht des Krieges und Friedens", welchem Grotius eine naturrechtliche Erörterung voranschickt, spiegelt die Zeit, die Bildung und den Charakter des Verfassers wieder. Holland, von äussern Feinden bekämpft, von politischen und religiösen Parteien innerlich zerrissen, hierin den allgemeinen Zustand der Zeit widerspiegelnd, in seinem völlig freien Handel, der Grundlage seiner materiellen Blüte, bedroht, bedarf äufseren und inneren Frieden, Handelsfreiheit und ein Recht, welches für Katholiken und Protestanten, Lutheraner und Reformierte, Christen und Atheisten bindend ist. Auf dieses Land ist infolge der französischen Bürgerkriege, insbesondere der Berufung Scaligers an die Universität Leyden, der Primat der Philologie übergegangen. Die humanistischen Studien stehen in hoher Blüte. Ein wohlwollender, edler Mann, von Beruf Jurist und mit der römischen Rechtswissenschaft vertraut, der Sohn des Kurators der Leydener Universität, ein Schüler Scaligers und des Justus Lipsius, selbst ein gründlicher Kenner der klassischen Litteratur, entnimmt Grotius aus den Schriften der griechischen und römischen Philosophen die Grund- und Ecksteine der neuen Wissenschaft 1. Auch seine Ausführungen sucht er mit Citaten aus den Schriftstellern des klassischen Altertums zu stützen, sein Werk strotzt in unangenehmer Weise von klassischer Gelehrsamkeit.

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Grotius nimmt drei Arten von Recht an: das Naturrecht 2, das göttliche Recht und das bürgerliche Recht. Quelle des ersteren ist die,,der menschlichen Vernunft entsprechende Sorge für die Gemeinschaft" 3. Der Mensch habe nämlich den Trieb einer ruhigen und nach dem Mafs seiner Einsicht geordneten Gemeinchaft mit seinesgleichen, welche die Stoiker Oizeiworr nannten❝4. Dieser Trieb wirke unabhängig von der Rücksicht auf den Nutzen. Dies ersehe man daraus, dafs die Tiere ihre Sorge für sich selbst im Hinblick auf ihre Jungen mässigten und bei Kindern früh Mitleid und die Neigung wohlzuthun hervorträten. Ist nun nach Grotius dieser Trieb nach einer uninteressierten Gemeinschaft bei allen lebenden Wesen zu finden,

1 Die Behauptung des Grotius, er habe auf die Streitfragen seiner Zeit keine Rücksicht genommen (Einleitung 58), widerlegt meine Ansicht nicht, dafs er durch die Streitfragen angeregt wurde.

2 Ich erwähne das jus naturale laxius nicht, da es mir nur auf die klare und deutliche Hervorhebung des Wesentlichen ankommt.

Einleitung 8. Die wörtlichen Anführungen nach der Übersetzung von Kirchmann. 1882.

4 Einl. 6.

Forschungen (43) X 2. Hasbach.

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3

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so verbindet sich bei dem Menschen, wenn er in das reifere Alter getreten ist, mit diesem ,,starken, geselligen Trieb, für den er allein vor allen Geschöpfen das besondere Mittel der Sprache besitzt, auch die Fähigkeit, allgemeine Regeln zu fassen, welche auf die Verwirklichung dieser Gemeinschaft hinzielen, und danach zu handeln. Was hiermit übereinstimmt, das ist schon nicht mehr allen Geschöpfen gemeinsam, sondern der menschlichen Natur eigentümlich "1. Wie man sieht, nimmt Grotius, wie die römischen Juristen, ein engeres und ein weiteres Naturrecht an.

Dem so aus dem uninteressierten Triebe nach Geselligkeit und der menschlichen Vernunft entstammenden Rechte gehören folgende Sätze an: 1. dass man sich des fremden Gutes enthalte und das Genommene zurückgebe, 2. dafs man den durch eigene Schuld veranlafsten Schaden ersetze, 3. dass das Unrecht durch die Strafe wiedervergolten werde und 4. die Verbindlichkeit, gegebene Versprechen zu erfüllen.

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Um das Naturrechtliche scharf von dem Nützlichen zu unterscheiden, sagt er ausdrücklich, dafs uns unsere Natur zu Gemeinschaft treiben würde, auch wenn wir keine Bedürfnisse hätten 2; um die Hoheit des Vernunftrechtes hervorzuheben, es sei so unveränderlich, dafs Gott es nicht verändern könne. Aber Grotius hat zu lange in der Schule der Stoiker verweilt, um die Verbindung des Naturrechtes mit Gott zu lösen. So behauptet er denn: „Aber selbst das obenerwähnte Naturrecht, sowohl das gesellschaftliche, wie das im weiteren Sinn so genannte, muss, obgleich es aus den inneren Principien des Menschen abfliefst, doch in Wahrheit Gott zugeschrieben werden, weil er ja gewollt hat, dafs solche Principien bestehen. In diesem Sinne sagten die Stoiker und Chrysipp (ebenfalls Stoiker), dafs man den Ursprung des Rechtes nur bei Jupiter suchen müsse, und wahrscheinlich hat bei den Lateinern das Recht (jus) seinen Namen von dem Jupiter (Jovis) erhalten" 4.

Gott, mittelbar die Quelle des Naturrechtes, ist unmittelbar die Quelle des göttlichen Rechtes, welches auf seinem direkt ausgesprochenen Willen beruht.

Haben nun also Naturrecht und göttliches Recht ihren Berührungspunkt in dem höchsten Gesetzgeber, so fehlt auch die Verbindung zwischen Naturrecht und bürgerlichem Recht nicht. Nach Grotius gehört es ja zum Naturrecht, dafs man gegebene Versprechen erfülle. Hieran knüpft er das positive Recht an.

,,Weil es natürlichen Rechtes ist, die Verträge zu halten (denn irgend ein Weg, sich zu verpflichten, war für die Menschen

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notwendig, und ein natürlicherer, als der Vertrag, lässt sich nicht auffinden), so ist aus dieser Quelle das bürgerliche Recht entstanden. Denn die, welche sich einer Gemeinschaft anschliefsen und einem oder mehreren unterwerfen, versprechen entweder ausdrücklich oder stillschweigend, wie man nach der Natur der Sache annehmen mufs, dafs sie dasjenige befolgen würden, was entweder die Mehrheit der Genossenschaft oder die, welchen die Macht übertragen war, festgesetzt hätten"1. Jene erwähnte Vergesellschaftung oder Unterwerfung hat aus irgend einem Nutzen ihren Anfang genommen". Im ersten Buche befindet sich nun eine Definition, welche alles berücksichtigt, was wir bis jetzt besprochen haben.,,Das natürliche Recht ist ein Gebot der Vernunft, welches anzeigt, dafs einer Handlung wegen ihrer Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung mit der vernünftigen Natur selbst eine moralische Häfslichkeit oder eine moralische Notwendigkeit innewohne, weshalb Gott, als der Schöpfer der Natur, eine solche Handlung entweder geboten oder verboten habe❝8.

Aus diesen Grundzügen wird man ersehen, dafs das Grotianische Naturrecht sich sehr stark an die stoischen Grundanschauungen anlehnt. In allen Werken über die Geschichte des Naturrechts wird behauptet, dafs er die Socialitätstheorie dem Aristoteles entnommen habe. Er selbst beruft sich auf die oizeiwois der Stoiker, die doch auch diesen Teil der Ethik unendlich gründlicher erörtert haben als Aristoteles. Wo er das Naturrecht auf Gott zurückführt, citiert er die Stoiker. Wo er im zweiten Kapitel des ersten Buches die menschlichen Triebe bespricht, hält er sich an Cicero, und er bemerkt, dafs dieser seine Lehre aus den Büchern der Stoiker genommen habe. Augenscheinlich ist die Socialität bei Grotius in eine Stellung gerückt, die sie bei den Stoikern nicht besitzt. Er leitet aus dem Princip der Geselligkeit den Begriff des Rechtes ab, er kehrt in gewissem Sinne die stoische Anschauung um. Wahrscheinlich hat er gerade dadurch dem Naturrecht eine festere Basis zu geben gesucht; denn die gesellige Natur des Menschen kann erwiesen werden, nicht aber das Dasein der feurigen Vernunft 5). Vielleicht wurde er auch durch religiöse Bedenken davon abgehalten, sich zu der panthei

1 Einl. 15.

2 Einl. 16.

3 Buch I, Kap. I. X. 1.

4 Buch I, Kap. II, 1. Jene falsche Meinung ist wahrscheinlich durch Grotius' Hervorhebung der Bedeutung des Aristoteles entstanden (Einl. 42). Er sagt aber auch, er wolle das Gute nehmen, wo er es finde wie die alten Christen.

5 Vergleiche über Grotius' Methode B. I, Kap. I. XII, 1. Es gebe einen doppelten Beweis für die Existenz naturrechtlicher Bestimmungen: der direkte (Nachweis, dafs etwas notwendig mit der vernünftigen Natur und Gesellschaft übereinstimme) sei scharfsinniger; der indirekte sei die Übereinstimmung der Völker.

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