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und Marburg, der eigentliche Begründer des Naturrechtes als selbständiger Disziplin, dessen Werk 1539 erschien, nach dem, was Kaltenborn über ihn mitteilt, ebenso sehr auf den römischen Juristen wie auf Cicero zu fufsen. Doch da ich natürlich nicht die Absicht habe, die Geschichte des Naturrechtes zu schreiben, so begnüge ich mich damit, auf diesen Faktor hingewiesen zu haben, und ich wende mich zu dem anderen, der Wiedererweckung der griechischen Philosophie.

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Um nun hier mit genügender Klarheit zu sehen, müssen wir unter den Schriftstellern, welche in der neuen Zeit das Naturrecht behandelt haben, drei Gruppen unterscheiden. Erstens die katholischen, welche die mittelalterliche Tradition, durch die Gegner angeregt, aber nicht in ihrer Überzeugung erschüttert, fortsetzten. Das bedeutendste Werk dieses ✓ Rechtes ist der Tractatus de legibus" von Suarez (1609). Welche Geltung sich Aristoteles in dieser Gattung von Schriften verschafft hat, weils ich nicht. In betreff der übrigen Schriftsteller möchte ich glauben, dafs die Lehren des Stagiriten von geringerem Einflufs gewesen sind, als man gewöhnlich annimmt. Am meisten treten sie in der Ethik Melanchthons hervor. Dagegen sind Stoicismus und Epikureismus die eigentlichen treibenden Mächte des modernen Naturrechtes. Damit will ich natürlich nicht behaupten, dafs die grofsen Naturrechtslehrer nicht auch aus den Werken der andern grofsen Philosophen geschöpft haben.

So müssen wir eine zweite und dritte Gruppe aussondern, von denen die eine sich an die Stoiker1, die andere an die Epikureer anschliefst. Der gröfste Theoretiker der zweiten ist Grotius, der einflussreichste Locke. Der Franzose Gassendi steht an der Spitze der dritten. Mit dem Epikureismus erneuert

1 Ob die stoische Philosophie auf die französische Juristenschule einen Einfluss ausgeübt hat, ist mir unbekannt. In ihr wurde zuerst die Frage aufgeworfen z. B. von Cujacius, welchen Anteil die griechische Philosophie bei der Bildung des römischen Rechts gehabt hat. Hildenbrand a. a. O. p. 594.

2 Dafs Gassendi, der Erneuerer des epikureischen Naturrechts, sehr wohl wufste, woher es stamme, ist selbstverständlich. Dafs Grotius an mehreren Stellen der Stoiker gedenkt, werde ich noch hervorheben. Pufendorf bezeichnet sich als halben Stoiker, während Hobbes den Epikureismus aufgewärmt habe: Ego enim Stoicorum sanae sententiae proxime accedo: Hobbesius autem Epicuraeorum hypothesin recoquit. Hinrichs, Geschichte der Rechts- und Staatsprinzipien. 1850. Bd. II. p. 13. Barbeyrac teilt in der Vorrede zu seiner Übersetzung von Cumberlands Disquisitio de legibus naturae philosophica" mit: als Pufendorf das Buch gesehen, habe er sich dazu beglückwünscht, dafs C., wie er, eine der Hypothese des Thomas Hobbes entgegengesetzte verfechte,,qui approchait fort des dogmes des anciens Stoiciens". Traité philosophique des Loix Naturelles. Amsterdam 1744. p. III. Cumberland selbst, welcher sein ganzes Werk hindurch gegen Hobbes kämpft, behauptet, er habe vorzugsweise gegen die Epikureer zu streiten. A. a. O. Discours Préliminaire de l'Auteur SV.

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er das epikureische Naturrecht. Die epikureischen Ideen finden ihren scharfsinnigsten, energischsten, gewaltigsten Verfechter in Thomas Hobbes. Neben ihm mufs Spinoza erwähnt werden.

Damit ist die Rolle bezeichnet, welche dem Humanismus bei der Gestaltung des modernen Naturrechtes zufiel: er hat erstens die naturrechtlichen Bestandteile des römischen Rechtes und zweitens die philosophischen Systeme des Stoizismus und Epikureismus wieder erweckt.

Der Anteil Frankreichs an dieser Geistesarbeit ist der gröfste. Im 16. Jahrhundert wirken die französischen Rechtsgelehrten für die Idee eines natürlichen Rechtes; im 17. erneuert Gassendi das epikureische Naturrecht. Im historischen Zusammenhange gesehen erscheint es nicht so auffallend, dafs im 18. Jahrhundert die naturrechtlichen Anschauungen ihren furchtbarsten, erschütterndsten und fanatischsten Ausdruck in den Schriften (Rousseaus und der Physiokraten finden, dafs in Frankreich die grofse naturrechtliche Revolution ausbricht, dafs von dort die kriegerische Propaganda für den Umsturz der alten Rechtsordnung ausgeht.

Der Ruhm Hollands ist daneben quantitativ geringer, qualitativ gröfser. Ein Sohn jener Universität Leyden, an der Justus Lipsius für die Renaissance der stoischen Philosophie wirkt, schafft Hugo Grotius ein Werk von so ungeheurer Wirkung, dafs es, die früheren Schriften verdunkelnd, lange Zeit als die erste Erscheinung dieser Art gilt. Insbesondere stellt es den Ruhm unseres Vaterlandes in Schatten, da es doch gerade ein Deutscher, Oldendorp, war, welcher das erste System des Naturrechtes schuf. Es verrät, wie erinnerlich, ebenso sehr das Studium Ciceros wie das der römischen Juristen1.

Doch wie griff die Reformation in diesen Prozess ein?

2.

Die Reformation.

In den ermattenden Geisteskämpfen um alle Fundamente des ethischen Menschen konnten die Begriffe Staat und Recht unmöglich von der Erörterung ausgeschlossen werden. Es ist bekannt, wie verschieden das Ergebnis der Denkarbeit z. B.

1 Diese Zeugnisse liefsen sich leicht vermehren; aber die vorliegenden genügen doch zum Beweise, dafs sich die grofsen Begründer des Naturrechts als selbständiger Wissenschaft sehr wohl bewufst waren, dafs sie auf den Grundlagen des antiken Naturrechts weiterbauten und fundamentale Gegensätze zwischen Stoizismus und Epikureismus vorhanden seien. Seitdem Lange und Guyau die tiefgehende Einwirkung des Epikureismus auf die moderne Gedankenwelt nachgewiesen haben, zweifelt daran auch niemand mehr; hoffentlich wird der ganz gewaltige Anteil des Stoizismus an der Gestaltung der mo-1 dernen Philosophie, insbesondere der ethischen und politischen Ideen, einmal seinen Darsteller finden.

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eines Luther und Zwingli gewesen ist. Dazu kam, dass das Naturrecht, wie es von den Alten geschaffen worden war, durch die Lehren der Reformatoren eine Bestätigung und Heiligung erfuhr. Der Inhalt des alten und neuen Testamentes wurde ja jetzt allgemeiner bekannt, der ethische Pessimismus Augustins lebte wieder auf. Die genauere Ausführung dieses merkwürdigen Einflusses erfordert leider die Wiederholung oder genauere Ausführung einiger Erörterungen des vorigen Kapitels.

Erstens wurde die stoische Vorstellung vom goldenen Zeitalter, während dessen nur das Naturrecht galt, durch die jüdische Lehre vom Paradiese bekräftigt, in welchem die ersten Menschen nur dem unmittelbaren Gebote Gottes unterworfen waren. Wie nach den Stoikern der Zeiten Verderbnis zum positiven Gesetze führte, so die Sünde zur Vertreibung des Menschen aus dem Paradiese, zum positiven Gesetze und zum Staate1. Und es ist jedenfalls bemerkenswert, dafs die stoische Abwendung von den politischen Zuständen, die sie umgeben, auf den Idealzustand des goldenen Zeitalters hin, wo das Naturgesetz herrschte, sein Seitenstück in den englischen Levellers findet. Die Levellers", sagt Ranke, wollen sich selbst nicht auf die heilige Schrift verweisen lassen, die von den Zuständen nach dem Falle handle, sondern sie bestehen auf dem Wort Gottes, das im Herzen des Menschen lebt, durch welches er sowohl wie das Gesetz der Schöpfung gemacht ist, ein Gesetz, zu welchem diese zurückgebracht werden mufs" 2.

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Zweitens verstärkte die reformatorische Lehre von der Bosheit und der harten Selbstsucht der menschlichen Natur, welche sich bei Luther so schlecht mit seiner Heiligung des natürlichen Menschen verträgt und Calvins logischen Geist unbeabsichtigt zum Beweis der Unvereinbarkeit der christlichen Lehre von Gott und dem Menschen führte — ich sage, diese reformatorische

1 Am deutlichsten sieht man den Einschlag der christlichen Ideen bei Thomasius. „Die Streitfrage, ob das Naturrecht auf den Stand der Unschuld zu gründen sei, oder nur dem verderbten Stande nach dem Falle angehöre, beschäftigt ihn ganz ernstlich... Er schildert den Stand des Paradieses als einen vollkommenen mit Liebe; aber er bestreitet, dafs es in demselben einen Staat gegeben habe; denn der Staat ist nicht ohne zwingende Gewalt, und die unschuldigen und friedfertigen Menschen bedurften keines Zwanges Erst nach dem Falle, als sie von Gott getrennt waren und die Furcht vor Gewaltthat die Menschen, ängstigte, ward der Staat ein Bedürfnis . Der Verstand ist dem Menschen auch nach dem Falle so vollkommen geblieben, dafs er die gemeinen Regeln, zumal die natürlichen, erkennen kann. Das natürliche Gesetz wird also von der gesunden Vernunft begriffen, es ist in notwendiger Ubereinstimmung mit der Natur des Menschen, wie Gott sie gewollt und geschaffen hat." Bluntschli a. a. O. p. 231.

2 Ranke, Englische Geschichte. 4. Bd. 2. Aufl., in den Sämmtl. W. 17. Bd. Leipzig 1870. p. 20.

Lehre verstärkte die Grundlage der epikureischen Ethik1, welche doch eine Lehre des wohlverstandenen Selbstinteresses ist. Hat aber die menschliche Natur diese Beschaffenheit, dann kann auch die materialistische Gesellschaftstheorie keinen Widerspruch erfahren. In den theologisch gefärbten „Drei Büchern der göttlichen Rechtsgelahrtheit" nimmt Thomasius ja an, dafs die Menschen aus Furcht vor Gewaltthat zum Staate gelangen. Dann kann auch die Vertragstheorie mit in das Lehrgebäude des Naturrechtes aufgenommen werden; thatsächlich haben Gläubige und Ungläubige sie gelehrt. Zudem unterstützte die heilige Schrift, die gerade jetzt allgemeiner bekannt wurde, die Vertragstheorie, da insbesondere im alten Testamente so viel von Verträgen zwischen Gott und den Menschen die Rede ist. Endlich mufs der Charakter des Staates darin gesucht werden, dafs er eine Sicherheitsanstalt ist.

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Dafs die Ansicht von der natürlichen Schlechtigkeit der menschlichen Natur zu der letzteren Lehre führen mufs, erkennt man deutlich bei Luther. An Herzog Johann von Sachsen schreibt er: Wenn alle Welt rechte Christen wären, so wäre kein Fürst, König, Herr, Schwert noch Recht nötig oder nütze. Denn wozu sollte es dienen? Der Gerechte thut von sich selbst alles und mehr, denn alle Rechte fordern 2." Daher liegt der Obrigkeit vor allem die Erhaltung des Friedens und der äufseren Gerechtigkeit ob, damit dadurch dem Christentum und geistlichen Regiment sozusagen der Boden geebnet, die Bahn freigemacht werde" 3. Ob der Zweck des Staates darin gesucht wird, dafs er die Menschen in ihrem friedlichen Erwerbe oder das Christentum und geistliche Regiment schützt, ändert an dem Charakter des Staates in der Theorie nichts. Diese Erörterungen bestimmen mich zu dem Glauben, dafs die christlichen Ideen in der Gestalt, welche ihnen die Reformatoren gaben, das Bindeglied zwischen den stoischen und epikureischen Lehren bildeten, weil sie sowohl den Unschuldszustand des Menschen in inniger Gemeinschaft mit Gott wie die nachfolgende Verderbnis der menschlichen Natur, die in einem unbegrenzten Egoismus besteht, umfassen. Die christlich-reformatorischen Lehren verleihen dem Naturgesetze die unbedingte Hoheit, welche

1 Pym sagte einmal in einer Parlamentsrede: „Wenn ihr das Gesetz hinwegnehmt, so gerathen alle Dinge in Verwirrung und jeder Mensch will sein eigner Gesetzgeber sein, was, bei dem verderbten Zustande der menschlichen Natur, notwendig die gröfste Ungebühr hervortreiben mufs. List, Neid, Gewinnsucht, Ehrgeiz wecken und geben dann Gesetze, und welcher Art, das kann jeder leicht einsehen." Lechler, dessen Werk über den englischen Deismus diese Stelle entnommen ist, bemerkt dazu: „Da haben wir unter puritanisch-orthodoxer Färbung die ganze Voraussetzung des natürlichen Kriegszustandes, der die Grundlage der Hobbes'schen Theorie bildet." p. 101.

2 Kaltenborn, a. a. O. p. 208.

3 Th. Ziegler, a. a. O.

p. 451.

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es bei den Stoikern besitzt; sie anerkennen die natürliche Schlechtigkeit des Menschen, den Staatsvertrag und Frieden und Sicherheit als alleinigen Zweck des Staates. Gerade diese Durchdringung des stoischen und epikureischen Naturrechtes, die sich ursprünglich feindlich gegenüberstehen, kennzeichnet das Naturrecht einiger der hervorragendsten Philosophen und Juristen. Nur dort, wo die antike Auffassung der menschlichen Natur oder die stoische Lehre die epikureisch - reformatorische überwindet, verschwindet der eine oder andere der genannten Züge.

Damit ist, soviel ich sehen kann, die Darstellung des Einflusses der Reformation auf das Naturrecht erschöpft. Hervorragende Juristen sehen aber die Wirkung der Reformation noch in etwas viel Wichtigerem. „Der Grundsatz der religiösen Freiheit," meint Robert von Mohl, „musste mit innerer Notwendigkeit sich ausdehnen auf das Gebiet der staatlichen Freiheit und schuf auch hier, verbunden mit der germanischen Anerkennung der Persönlichkeit, ein ganz neues Leben“ 1. ̧ Noch deutlicher drückt sich Kaltenborn aus. „Die nachfolgende Entwicklung der naturrechtlichen Disziplin ist eine konsequente Durchführung und Anwendung des evangelisch-protestantischen Grundsatzes von der religiösen Freiheit. Denn in das Gebiet des Rechtes und Staates erhoben, musste dieser Grundsatz zur Anerkennung der politischen Freiheit, also zur Billigung und Errichtung eines Rechtssystems, einer Ordnung von Recht und Staat führen, worin in allen Stufen und Sphären des politischen Wesens die Persönlichkeit des Menschen, das Recht der Person ein wesentliches Fundament bildet“ 2. Gegen diese Ansicht stofsen mir aber so viele Zweifel auf, dafs ich sie nicht annehmen kann. Sie lassen sich aber nur in einer Darstellung, welche weit über den Rahmen dieser Schrift hinausgeht, genügend begründen.

Ebensowenig sind die liberalen Forderungen, welche manchem den eigentlichen Inhalt des Naturrechtes zu bilden scheinen, notwendige Folgerungen aus den naturrechtlichen Grundanschauungen. Denn das Naturrecht bezeichnet lediglich eine bestimmte Art des Rechtes, welches aus der menschlichen Vernunft hervorgeht und gewöhnlich auch auf universelle zeitliche und örtliche Geltung Anspruch macht. Welchen Inhalt das natürliche Recht hat, wird damit nicht gesagt. Aus der Lehre von der Freiheit und Gleichheit im Naturzustande folgen noch nicht die Grundsätze der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Freiheit. Diejenigen modernen Systeme, welche auf epikureischer Grundlage beruhen, haben die Freiheit und Gleichheit des Naturzustandes durch den Staatsvertrag wieder beseitigt, wie das von ihrem

1 Mohl, Geschichte und Litteratur der Staatswissenschaften. 1855. Bd. I, p. 227.

2 Kaltenborn, a. a. O. p. 49.

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