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So war also die von Cumberland und Shaftesbury eingeleitete Bewegung nach zwei Seiten hin verlaufen und hatte ihren Abschluss in den Schriften der Physiokraten und Adam Smiths gefunden. Jene stellen den Begriff einer natürlichen physischen Ordnung auf und bringen ihn einerseits in Verbindung mit der Ordnung des Weltalls, andererseits mit der natürlichen socialen Ordnung, diese aber fassen sie zu äufserlich als eine rechtliche Ordnung auf. Dagegen dringen die Schotten als treue Schüler Shaftesburys in die natürliche, göttliche Ordnung des menschlichen Seelenlebens ein, sie forschen nach der sittlichen Ordnung, welche den Zustand höchsten, materiellen Wohlbefindens verbürgt. Ihre Richtung ist eine psychologischethische, die der Physiokraten eine naturwissenschaftlich-rechtliche.

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Nun thut sich auf einmal der Blick in eine fundamentale Verschiedenheit der Systeme Adam Smiths und Quesnays auf. Jedem Leser des Wealth of Nations" wird die Polemik des Schotten gegen die physiokratische Meinung erinnerlich sein, dass das Wohl der Staaten vornehmlich von guten Gesetzen abhänge. Das Wichtigste sei die Thätigkeit des Individuums, dessen robuste Kraft die Rezepte des thörichtesten Arztes verwinde. Hier wird die Verachtung wieder lebendig, welche Shaftesbury einst gegen die Lehre von der Handelsbilanz, von der Machtbilanz und vom europäischen Gleichgewicht an den Tag gelegt hatte und welche die Physiokraten gewifs vollständig geteilt haben würden. Aber Shaftesburys Worte hatten einen tieferen Sinn, als den, welchen sie darin hätten finden können. Es ist überhaupt nicht das äussere Rechtsgesetz, welches wirklich helfen kann, sondern das innere Sittengesetz, von dem nur ein Teil durch das Staatsgesetz erzwungen wird. Auf diesem Wege ist Shaftesbury unser Altmeister gefolgt, und aus diesem Grunde finden wir in seiner Jugendschrift den ethisch-politischen Radikalismus am ausgeprägtesten. Vom Staate verlangt er nichts als Schutz nach aufsen und innen, so wenig als möglich; dafür denn auch nur mässige Steuern. Dies sind ja die Versicherungsprämien des Lockeschen Rechtsstaates, vom Standpunkte der Volkswirtschaft unwiderbringliche Verluste, notwendige Opfer, um Eigentum und Freiheit zu schützen; wer die Versicherung bei gleichbleibender Leistung am billigsten besorgt, ist der beste Staat.

Ganz anders die Physiokraten. Wagner und Schäffle könnten nicht schärfer den volkswirtschaftlich produktiven Charakter der Steuer betonen, als es von Baudeau geschehen ist. Er kämpft nicht ohne Heftigkeit gegen diejenigen, welche die Steuer für ein Opfer erklären, das man bringen müsse, um den Rest seines Eigentums zu sichern. Diesen Charakter hätte die Steuer nur

in schlecht verwalteten Staaten, in guten sei sie nichts als der Anteil am jährlichen Reinertrag, welchen der Staat für seine Dienste (travaux d'instruction, de protection, d'administration) gerechterweise verdient habe. Baudeau tritt deshalb auch konsequent wie Quesnay für starke Staatsausgaben ein1. Denn je mehr ein guter Staat arbeitet, um so gröfser ist das Volkseinkommen.

Wie ist das zu erklären, da es doch als sicher angenommen wurde, dafs Physiokratismus und Smithianismus dasselbe seien? Einfach deshalb, weil die Physiokraten nicht, wie man wohl gemeint hat, eine starke Staatsgewalt wünschten, die mit einem Federzuge die wirtschaftliche Freiheit einführe und dann abdanke, sondern dauernd eine starke Staatsgewalt, eine umfassende, tief eingreifende Verwaltung ersehnten. Sie sind Franzosen wie die übrigen Franzosen des Jahrhunderts und erwarten alles von Gesetz und Recht. Die Verwaltungsmaschinerie, welche der Absolutismus in Frankreich seit dem 17. Jahrhundert eingeführt hat, wünschen sie nicht beseitigt, sondern weiter ausgebildet, verbessert, für ihre Zwecke funktionierend. Ihr Staat soll zwar die wirtschaftliche Freiheit einführen, aber damit ist seine Thätigkeit nicht beendet. Er hat Beamte anzustellen, welche unterrichten, schützen und verwalten, er muss für die Unterhaltung des grofsen öffentlichen Eigentums sorgen, welches das Eigentum der Privatpersonen erst zur Geltung bringt: die Wege, die Kanäle, die schiffbaren Flüsse, die Brücken und Häfen u. s. w.

Alles dies war Adam Smith in seinem Jugendaufsatze entgangen; er hatte damals wahrscheinlich von Volkswirtschaft und von Staatsverwaltung nur die dürftigen Begriffe, welche man von einem jungen Philosophen erwarten kann, der aus einem luftigen philosophischen Systeme die Fäden einer luftigen politischen Theorie herausspinnt. Er hätte am liebsten den Staat aus der Gesellschaft herausgedrängt und nichts übrig gelassen als die wirtschaftenden Individuen. Dafür war aber seine unreife Theorie konsequent, sie schlofs sich aufs engste seiner Ansicht vom menschlichen Eigennutz an, während man dies von seinem grofsen national-ökonomischen Werke nicht sagen kann, in dem er dasjenige, was er von den Physiokraten gelernt hat, ganz äufserlich anflickt und nun als die dritte Staatsaufgabe bezeichnet the duty of erecting and maintaining certain public works and public institutions which it can never be for the interest of any individual or small number of individuals to erect and maintain". Aber weshalb sollte es nicht ebensowohl im Interesse der Individuen sein, Wege und Kanäle für andere zu bauen und hieraus einen Gewinn zu ziehen, als für andere baumwollene Strümpfe oder schwarze Seife zu fabrizieren? Hat denn Gott die Welt so wunderlich eingerichtet, dafs das Selbstinteresse wohl für die

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1 Daire, Physiocrates, II, p. 763 und 683.

Herstellung von baumwollenen Strümpfen und schwarzer Seife richtig funktioniert, nicht aber für diejenige von Wegen und Kanälen?

Der Begriff der natürlichen Ordnung hat also bei Quesnay und Smith nicht denselben Inhalt; auch spricht Letzterer nicht von Naturgesetzen der Volkswirtschaft.

So verschieden aber auch die Lehren Quesnays und Adam Smiths gewesen sein mögen, so gewifs dieser das echt englische starke Vertrauen zu den Menschen, jener das echt-französische stärkere zu Staat und Gesetz hat: gemeinsam ist beiden die Verehrung der Natur, welche die Keime alles Guten auch für das Erwerbsleben in sich birgt, gemeinsam ist ihnen die Überzeugung, dafs die Gesellschaft von allen Übel befreit werden wird, wenn die Menschen die von der Selbstsucht und Willkür diktierten Staatsgesetze ändern oder ihre Selbstsucht auf eine tugendhafte Selbstliebe herabstimmen und das Naturgesetz oder die natürliche Ordnung zur Herrschaft bringen, beiden gemeinsam ist die religiöse Gemütsstimmung, die in den natürlichen Rechtsund Sittengesetzen die Gebote eines höchst weisen, wohlwollenden, auch das materielle Gedeihen seiner Geschöpfe wünschenden Wesens sieht.

4.

Die wirtschaftliche Harmonie der Länder.

Nachdem so das Wirtschaftsleben in die religiöse Sphäre eines Optimismus hinaufgetragen worden war, welcher überall die Spuren einer gottgewollten Harmonie erblickt, die der Mensch nur zu Heerstrafsen zu erbreiten brauche, um auf ihnen dem Ziele materieller Wohlfahrt entgegenzuschreiten, mufste auch die Lehre von der wirtschaftlichen Harmonie der verschiedenen Länder willkommen sein und rasche Aufnahme finden, denn sie erschien als eine neue Entdeckung im Reiche der göttlichen Güte und Ordnung und eine wertvolle Stütze der Forderung der Handelsfreiheit.

Die Lehre war nicht neu. Gustav Cohn hat in seinem Aufsatze über Colbert nachgewiesen, welche Verbreitung sie schon im siebzehnten Jahrhundert gefunden hatte. Ich vermutete,

dafs auch sie dem Naturrechte entstamme, und zwar dem Naturrechte des Hugo Grotius, welcher als Niederländer dem Zwischenhandel seines Volkes theoretisch Vorschub zu leisten suchte. In diesem Werke findet sie sich auch thatsächlich, aber nicht von ihm selbst ausgesprochen, sondern als die Meinung klassischer Schriftsteller erwähnt. Hugo Grotius tritt dort für die Freiheit des Handels ein. Die gewaltige Verbreitung dieses 1624 erschienenen Buches über ganz Europa erklärt es, dafs sie in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts schon an verschiedenen Stellen wie etwas Selbstverständliches auftauchen konnte.

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Grotius führt von Philo den Satz an: Das ganze Meer wird von den Handelsschiffen ohne Gefährde durchfahren, zum Behuf des Handels, der um der Gemeinschaft willen unter den Völkern stattfindet, indem der Überflufs des einen dem Mangel des andern zu Hilfe kommt." Fast mit den Worten der Nationalökonomen des 17. und 18. Jahrhunderts spricht Libanius: „Gott hat nicht allen Ländern alles zugeteilt, sondern hat seine Geschenke nach den Ländern verteilt, damit die Menschen einander bedürften und gesellig würden. Deshalb hat er den Handel erweckt, damit wir alle das geniefsen können, was irgendwo gewachsen ist." Und die Wirkung des Handels beschreibt Plutarch mit den Worten: „Unser sonst wildes und verkehrloses Leben hat das Element verbunden und vervollkommnet, indem es dem Mangel hier durch den Überfluss anderwärts abhilft und durch den Austausch der Güter zur Gemeinschaft und Freundschaft führt 1. Die übrigen Citate übergehe ich. Diese drei dürften die Annahme rechtfertigen, dafs die Lehre von der gottgewollten Harmonie der Interessen aller einzelnen Länder der neueren Zeit ebenfalls vom klassischen Altertum überliefert worden ist. Sie braucht nicht als der Folgesatz eines modernen philosophischen Systems, wie etwa desjenigen von Shaftesbury oder Leibnitz angesehen zu werden, wir wissen eben nicht, wieviel wir in unserer intellektuellen, sittlichen und materiellen Kultur von den Alten entlehnt haben. Sondern sie bestätigt unsere Ansicht, dafs der Gedankeninhalt einer Periode durchaus nicht von ihr zuerst produziert zu sein braucht, dafs aber die führenden Geister dasjenige aus der Stille der Bibliotheken an die Öffentlichkeit ziehen, was die Zeit gerade braucht. So streut auch die Natur stets dieselben Menschenkeime aus, welche Saat aber wachsen und reifen soll, bestimmt die Nachfrage der Zeit nach Trieben und Talenten 2.

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1 a. a. O. I, p. 255. B. II, K. 2. XIII, 5.

2 Ich halte es nicht für meine Aufgabe, nachzuweisen, dass die Lehre von der wirtschaftlichen Harmonie der verschiedenen Länder in der nationalökonomischen Litteratur des 18. Jahrhunderts weite Verbreitung gefunden habe, es gehört nicht in eine Darstellung der allgemeinen philosophischen Grundlagen unserer Wissenschaft im 18. Jahrhundert. Um aber die Behauptung zu illustrieren, verweise ich auf den Franzosen Baudeau (Daire, Physiocrates, II, p. 725): „La nature a voulu que toute espèce de sol, toute exposition, tout climat eût ses productions différentes, depuis un pôle jusqu'à l'autre." Nach Auseinandersetzung der hieraus hervorgehenden Annehmlichkeiten folgt die Forderung der Verkehrsfreiheit. Mais pour rassembler autour de nous les objets qui naissent ou qui sont façonnés au bout du monde, sous l'un et sous l'autre hémisphère, il faut l'art et les moyens de les voiturer de la manière la plus sûre, la plus facile et la moins dispendieuse." Ähnlich der Engländer Hume. In seinen Aufsätzen wird einer ökonomischen prästabilierten Harmonie, welche auf der Verteilung verschiedener Güter und Talente an verschiedene Länder beruht, zweimal gedacht. Von den Hemmungen des freien Handels behauptet er, sie vernichteten ,,that free communication

Nachdem die Ansicht von der Harmonie zwischen den einzelnen Ländern Eingang gefunden hatte, war das Lehrgebäude der wirtschaftlichen Freiheit in allen Teilen vollendet. Nicht nur das Uhrwerk des menschlichen Trieblebens sondern auch die über verschiedene Länder ausgestreuten Naturgaben verkünden es: das höchste Wesen will keine künstlichen Hemmungen des Verkehrs; sein Gebot heifst: lafst dem wirtschaftenden Individuum seine Freiheit innerhalb der Grenzen des Rechts und der Sittlichkeit.

VII.
Rückblick.

So atmen Natur- und Geisteswissenschaften im 17. Jahrhundert denselben Geist. Hüben und drüben sucht man Naturgesetze aufzustellen, hüben und drüben ist man von der Macht des Verstandes, alle Tiefen der Welt auszumessen, durchdrungen, hüben und drüben gilt die mathematische Methode entweder als Hauptschlüssel oder doch als ein wichtiger Schlüssel zu allen Erkenntnissen. Atom und Mensch, Schwerkraft und Selbstliebe bilden ausschliesslich oder vorzugsweise die Körper- und Menschenwelt; das Denken erkennt in allen Wirkungsweisen nur die eine mechanische Causalität. Aus diesen Lehren weht uns gleichsam die eine Seele der modernen Weltanschauung entgegen. Im Kampfe mit der mittelalterlichen hat sich diese herausgestaltet, gestützt auf antike Erkenntnisse, nicht auf die antike Weltanschauung, noch die antike Philosophie der besten Zeit. Denn gerade gegen die platonischen Ideen, gegen die aristotelische Lehre von Stoff und Form, gegen den antiken Zweckbegriff richtete sich der Angriff. Dagegen sind die Philosophie der sinkenden Zeit, der Stoizismus und Epikureismus treibende Mächte

which the Author of the world has intended, by giving them soils, climates and geniuses so different from each other" (I, p. 343). Und: Nature by giving a diversity of geniuses, climates and soils to different nations, has secured their mutual intercourse and concourse as long as they all remain industrious and civilized (1, p. 346). Essays Moral, Political and Literary. Ausgabe von Green & Grose. London 1882. Also auch hier wieder der Gegensatz, dafs der Physiokrat vorzüglich die rechtlichen Hemmungen betont, der englische Moralphilosoph auch der sittlichen gedenkt. Übrigens findet sich die Lehre auch schon bei Davenant. Roscher, Geschichte der englischen Volkswirtschaftsl., p. 114. Vgl. die an stoische Anschauungen erinnernde Verteidigung der Handelsfreiheit bei North, a. a. O. p. 89.

Eine ganz andere Frage ist es, ob die Naturthatsache der Verteilung der Naturgaben über verschiedene Länder ein wirtschaftlicher Vorteil für ein bestimmtes Land ist. Quesnay hat ihn für alle Völker, die nicht vorzugsweise Handelsvölker sind, verneint. Am besten wäre es, wenn jedes Land alle Güter selbst produzieren könnte; da dies aber nicht der Fall ist, so mufs die vollste Handelsfreiheit den Lohn für diese Art von Diensten auf das kleinste Mafs beschränken.

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